Samstag, 30. Januar 2010

Kochkäs

Der Odenwald ist, so weit ich weiß, für so ziemlich gar nichts berühmt. Andere Mittelgebirge sind entweder malerischer, steiler, gebirgiger, haben mehr Ruinen zu bieten oder sogar Skihänge. Wenn ich nicht zufällig da herkäme, könnte ich vielleicht noch nicht mal die Quizfrage beantworten, wo er zu finden ist. Dabei gibt es einen guten Grund, trotzdem von ihm Notiz zu nehmen: man kann dort Kochkäs essen gehen. Gute Kochkäskneipen sind meistens hinter den sieben Bergen zu finden, man muss über Straßen dort hinfahren, bei denen man nur hoffen kann, dass einem kein Auto entgegen kommt, sonst muss man auf die Kuhweide ausweichen. Am besten kommt man zu Fuß, ist sowieso alles zugeparkt von irgendwelchen Darmstädtern, Frankfurtern, Mannheimern und Stuttgartern. Wenn die so einen weiten Weg fahren, um vor einem ollen windschiefen Fachwerkhäuschen um die wenigen Parkplätze zu kämpfen, dann muss was dran sein an dieser Kochkäskneipensache.

In der Kneipe sitzt man meist an riesigen, alten Tischen, es ist laut (zum Käs wird Apfelwein und Schnaps getrunken), und die Wirte dekorieren gerne mit alten Pötten, antiken Sensen und Körben, Fotos vom Kegelclub und hässlichen Souvenirs. Den Äbbler gibt es aus Bembeln, man bestellt ihn, indem man "zwei Liter" oder auch nur einen ordert, und dazu gibt es entweder Zitronensprudel oder "Sauren Sprudel", die Kochkäskneipenbezeichnung für Mineralwasser. Damit mischt man. Im Winter wird der Äbbler auch manchmal heiß gemacht und schmeckt dann um Längen besser als Glühwein.

Der Kochkäs selbst ist eine hellgelbe, glänzende Schmiere, die in einem Glasschüsselchen kommt. Dazu gibt es Butter, dunkles Brot, auf Wunsch Musik - mit Essig, Öl und Salz angemachte rohe Zwiebeln - und Kümmel, der angeblich dafür sorgen soll, dass es mit all dem Äbbler und den Zwiebeln nicht allzu rund geht, wenn ihr versteht, was ich meine. Man schmiert sich traditionell nie gleich das ganze Brot, sondern immer stückweise Butter, Käse, Zwiebeln und Kümmel. Das tut man nicht nur deshalb, weil es hübscher so ist, sondern weil der Käse, einmal verschmiert, sofort immer flüssiger wird und wie Honig vom Brot tropfen würde, wenn man mit dem Essen nicht schnell genug hinterherkäme.

In Kochkäskneipen gibt es natürlich nicht nur Kochkäs, sondern auch Handkäs, Schnitzel, oft ziemlich gute Steaks und hausgemachte Bratwürste, die ihre verdächtige Knorpeligkeit durch großartigen Geschmack wettmachen. Eine schöne Kochkäsvariante ist Schnitzel mit gebratenen Zwiebeln und Kochkäs. Das klingt nach Völlerei und ist es auch, aber zum Glück ist der Odenwälder Bub, ein Kräuterschnaps, nicht weit, und wozu geht man zum Essen in den Wald, wenn man dann nicht reinhauen kann wie ein Holzfäller?

Zutaten:
1 Pfund Quark (merke: nie, nie, niemals "Quarkzubereitung" nehmen, immer richtigen, hundsgewöhnlichen Quark mit 20% Fett)
2 TL Natron (gibt's im Gewürzregal)
125 g Butter
Kümmel, Salz
Ein sehr festes Geschirrtuch

Mit dem Geschirrtuch ein Sieb auslegen, den Quark hineintun und ca. zwei Stunden lang abtropfen lassen. Dann die noch verbliebene Flüssigkeit kräftig ausdrücken, je weniger Flüssigkeit im Quark bleibt, desto besser!

Jetzt einen großen Topf halb mit Wasser füllen, aufkochen lassen, einen kleineren Topf in dieses Wasserbad stellen und den Quark mit Natron und Butter im Wasserbad rühren, bis er glasig und speckig aussieht. Mit Salz und Kümmel abschmecken, mehrere Stunden im Kühlschrank kaltstellen.

Varianten: Ich habe schon Kochkäs gegessen, unter den ein Eigelb gerührt worden war. Ich mochte es nicht, andere waren begeistert. Außerdem habe ich schon mal davon gehört, dass man auch einen sehr, sehr durchgereiften Handkäs (also einen Käse, der schon ganz schmierig zerläuft und ordentlich stinkt) in kleine Stückchen schneidet und unterrührt.

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